Wolframs Spiel mit der Chronologie und der Geographie im ›Parzival‹. Überlegungen zur Datierung von Parzivals Berufung und Anfortas' Erlösung anhand der Rekonstruktion raum-zeitlicher ›Leerstellen‹
DOI:
https://doi.org/10.25619/BmE20214135Abstract
Wolfram arbeitet im ›Parzival‹ auffallend präzise und explizit mit der Zeit, doch über die Datierung des Berufungs- und Erlösungsgeschehens schweigt er, indem er die Tage der Ereignisse nicht benennt und über die kontextuellen raum-zeitlichen Gegebenheiten Unwissenheit vorgibt. Der Aufsatz zeigt, dass Wolfram hier mit einer gezielten Verschleierungsstrategie arbeitet und sich die von ihm dabei gesetzten raum-zeitlichen Lücken als das beschreiben lassen, was Michael Titzmann im Rahmen seines Konzepts der ›Nullpositionen‹ als ›Leerstellen‹ definiert. Dazu gehört auch, dass sich diese ›Leerstellen‹ auf der Basis der von Wolfram bemerkenswert stringent erzählten Geographie aus anderen Bruchstücken des Textes rekonstruieren lassen. Ausgehend vom Pfingstsonntag als Tag der öffentlichen Verkündung der Berufung Parzivals lässt sich darüber der Pfingstmontag als Tag der Erlösung des Anfortas bestimmen und für das Erscheinen der Gralinschrift zu Parzivals Berufung eine zeitliche Parallele zum Zerbrechen des Schwerts im Kampf gegen Feirefiz annehmen. Grund und Ziel der terminlichen Verschleierung der betreffenden Ereignisse ist die narrative Handhabung Gottes: Es gilt, auch im Erzählen die Unergründlichkeit und Unverfügbarkeit Gottes bestmöglich zu wahren und die heilsgeschichtlich-eschatologische Dimension der Gralherrschaft Parzivals als exklusives Wissen zu verschlüsseln.
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