Kleine Blütenlese zu historischen und systematischen Gesichtspunkten unwahrscheinlichen und wahrscheinlichen Erzählens
DOI:
https://doi.org/10.25619/BmE2019233Abstract
Der Aufsatz sucht das Feld von für die Dichtung relevanten Wahrscheinlichkeitsbegriffen zu sondieren. Unterschieden werden Was- (bzw. Plot-)Wahrscheinlichkeit und Wie-Wahrscheinlichkeit. Was-Wahrscheinlichkeit lässt sich im Prinzip numerisch erfassen. Auf Wie-Wahrscheinlichkeit richten sich Forderungen schon in Aristoteles‘ ›Poetik‹, wonach die Rezeptionswirkung einer Tragödie nicht beeinträchtigt werden sollte. Auch die antike Rhetorik schreibt die Einhaltung der Wahrscheinlichkeit im Zuge einer rhetorisch versierten Darstellung vor. Bestimmte Gattungen der Dichtung bleiben allerdings bis heute um solche Forderungen und Vorschriften unbekümmert. Wenn Dichtung offensiv auf bloß vorgestellte fiktive Szenarien umschaltet und zur Fiktion wird, beschränkt dies die Rolle der Zeit: Wahrscheinlichkeit gewinnt die atemporale Form einer Abbildrelation.