Das Martiniloben. Zur Prägnanz der Heiligenvita beim Stricker und bei Boccaccio
DOI:
https://doi.org/10.25619/BmE2019357Abstract
In meinen folgenden Ausführungen zu den legendarischen Transformationen und schwankförmigen Inversionen Martins von Tours entwickle ich ein Modell von Prägnanz in kurzen Erzählungen, in denen – nach dem Muster der antiken Vita – kompiliertes Material derart um eine mirakulöse Situation arrangiert und kombiniert wird, dass auch da der spezifische, mit Martins Sprechen und gestischesm Handeln verknüpfte Heiligkeitstypus zum Vorschein kommt, wo der Protagonist der Erzählung wie in Strickers ›Martinsabend‹ oder in Boccaccios erster Novelle aus dem ›Decameron‹ den herkömmlichen Erwartungen am einen Heiligen nicht ferner stehen könnte. Ermöglicht wird eine solche Insistenz des Heiligen in der Imagination des Erzählten durch die Wirkung einer wiederkehrenden und wiedererkennbaren Pathosformel, die im Falle Martins sich aus der Konfiguration widersprüchlicher Haltungen (Christ/Soldat; Eremit/Bischof) unter einer doppelt gerichteten Gebärde ergibt: der Bedeckung (des nackten Bettlers) und der Entblößung (des unberührten Tugendkleides).